Gedanken zum 23. Sonntag im Lesejahr C (Lk 14, 25-33)

Im heutigen Evangelium beschreibt Jesus die Bedingungen der Nachfolge. Er sagt: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein eigenes Leben gering achtet, dann kann er nicht meine Jünger sein.“

Jesus machte diese Aussagen, als er auf dem Weg nach Jerusalem war, wo er gekreuzigt werden sollte. Aber die Menge dachte, dass er nach Jerusalem gehen würde, um die Römer zu vertreiben und das alte Königreich Israel wiederherzustellen. Jesus war bei der Menge als großer Heiler, mutiger Lehrer und Wundertäter sehr beliebt.

Das heutige Lukasevangelium gibt vielen Menschen Rätsel auf, denn im Nahen Osten verlor jeder, der absichtlich die Verbindung zur Familie und zum sozialen Netz abbrach, die üblichen Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.   Außerdem waren das Leben und die familiären Beziehungen eines Menschen eine Notwendigkeit für Sicherheit und Identität, unabhängig von der sozialen Stellung. Warum verkündete Jesus, der seinen Anhängern geraten hatte, alle Menschen zu lieben – auch ihre Feinde – plötzlich, dass niemand sein Jünger sein könne, der seine eigene Familie nicht verachte?

Zu oft werden Kirche und Glaube wie ein einziges großes Angebot behandelt. Wir nehmen so viel von dem mit, was uns gefällt und was wir wollen, lassen aber das zurück, was uns nicht gefällt, was zu schwer zu schlucken ist, womit wir nicht einverstanden sind oder was nicht zu unseren persönlichen Meinungen und Überzeugungen passt. Das ist nicht die Art und Weise, wie die Evangelien Jesus oder das Leben der Jüngerschaft darstellen.

Manchmal brauchen wir Anforderungen und Erwartungen, die an uns gestellt werden. Gute Eltern wissen das. „Du musst das essen, weil es gut für dich ist. Du musst dieses oder jenes tun, weil es richtig ist.“ „Ich erwarte, dass du fleißig lernst und deine Hausaufgaben machst, dass du gute Freunde findest und deine Hausarbeiten erledigst.“ Die Eltern bitten und erwarten dies aus Liebe, damit ihr Kind wachsen und gedeihen kann. Das ist es, was Jesus im heutigen Evangelium tut. Seine Forderungen und Erwartungen fordern uns auf, anders zu sein, ganz lebendig zu sein, so zu sein wie er. Es ist dieselbe Wahl, die Mose den Israeliten stellte, die Wahl zwischen Leben und Wohlstand, Tod und Unglück (Dt 30,15-20). Es ist eine Wahl, die wir mehrmals am Tag treffen, jeden Tag unseres Lebens. Mit dieser Entscheidung konfrontiert Jesus die Menschenmenge im heutigen Evangelium.

Wie hat Jesus also seine Eltern verachtet? Erinnern Sie sich an den zwölfjährigen Jesus im Tempel in Jerusalem? Maria und Josef suchen verzweifelt nach ihm. Sie glauben, er sei verloren gegangen. Als sie ihn finden, fragt Maria: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht“. Er antwortet ihnen: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört“ (Lk 3,41-50).

Jesus stellte seine Beziehung zu Gott, dem Vater, über seine Beziehung zu seinen Eltern. Er weist weder Maria und Josef noch ihre Liebe und Präsenz in seinem Leben zurück. Es geht nicht um Ablehnung, sondern darum, neue Prioritäten zu setzen. Für den Jünger kann niemand und keine Beziehung Vorrang vor der Beziehung zu Jesus haben; nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern oder das Leben selbst.

In diesem Sinne hat Jesus sein eigenes Leben verachtet. Er trug sein Kreuz und gab dem Willen seines Vaters und unserer Erlösung den Vorrang. Wieder geht es um Prioritäten. Er hat seinen Willen und seine Vorlieben zugunsten der Liebe zu und des Gehorsams gegenüber Gott zurückgestellt. Jesus fordert uns auf, das zu tun und zu sein, was er tat und wer er war. Das ist es, was ein Jünger ist. Ein Jünger ist ein Lernender, einer, der lernt, wie der Lehrer zu leben, zu handeln, zu sprechen und zu denken. Der Jünger integriert das Leben und die Lehren des Lehrers in sein eigenes Leben.

Der Aufforderung Jesu zu wahrer christlicher Nachfolge können wir nur folgen, wenn wir den Geist der Hingabe und des Verzichts in unserem täglichen Leben praktizieren. Wahre Jüngerschaft erfordert ein echter Einsatz für die anstehenden Aufgaben, die uns das Leben, die Umstände, die Gemeinschaft oder direkt Gott selbst auferlegt, sowie liebevolle Akte selbstloser, demütiger und aufopfernder Liebe, die wir allen Kindern Gottes um uns herum anbieten. Denken wir daran, dass all dies nur möglich ist, wenn wir uns auf die Kraft des Gebets und die Führung des Heiligen Geistes verlassen. Amen.