Gedanken zum 1. Fastensonntag Lesejahr C (Lk 4, 1-13)

Am vergangenen Mittwoch, dem „Aschermittwoch“, haben wir die Fastenzeit begonnen, und heute ist der erste Fastensonntag. Die vierzig Tage der Fastenzeit entsprechen den vierzig Tagen, die Jesus selbst in der Wüste verbracht hat.

Traditionell lesen wir jedes Jahr am ersten Sonntag der Fastenzeit aus dem Evangelium von den Versuchungen Jesu in der Wüste. Jesus hat die Versuchungen in der Wüste überwunden. Er hat es uns ermöglicht, unsere Versuchungen auch zu überwinden. Ich denke, das ist oft ein Thema, das der Fastenzeit zugrunde liegt und ein gemeinsamer Ansatz ist für den Umgang mit Versuchungen in unserem Leben.

Versuchung: Ist das alles, was diese Geschichte aus dem Evangelium zu bieten hat? In meinem Leben war es das sicher nicht, ich glaube nicht, dass es im Leben Jesu so war und ich vermute, dass es auch in Ihrem Leben nicht so ist. Unser Leben und unser Glaube sind mehr als die Summe unserer Entscheidungen, und unsere Versuchungen sind selten eine einfache Wahl zwischen diesem oder jenem. Deshalb möchte ich laut nachdenken und eine andere Sichtweise der Versuchung in Betracht ziehen.

Es ist die Geschichte von Jesus in der Wüste. Diese Geschichte erzählt eine ganz andere Wahrheit über die Versuchung, aber sie verändert oder verfälscht die Geschichte von Jesus in der Wüste nicht. Das wird noch deutlicher, wenn wir sehen, was vor und nach dem heutigen Evangelium kommt. Die Taufe Jesu ist die Geschichte unmittelbar vor dem heutigen Evangelium. Das Wirken Jesu in Galiläa und seine Lehre in der Synagoge von Nazareth ist die Geschichte, die unmittelbar auf das heutige Evangelium folgt. Ich möchte, dass wir die Versuchung – die von Jesus und unsere eigene – im Licht dieses Musters betrachten: Taufe, Wüste, öffentliches Leben und Dienst.

Nachdem Jesus getauft worden war, ging er sofort in die Wüste (Lk 3, 21-22). Erinnern Sie sich, was bei seiner Taufe geschah? Der Himmel öffnete sich, der Geist kam herab, und der Vater verkündete: „Du bist mein geliebter Sohn; an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Der Vater beanspruchte und identifizierte Jesus als sein Eigentum, genau wie er es bei jeder unserer Taufen tut.

Nach seiner Taufe ging Jesus in die Wüste mit dem Klang der Worte des Vaters in seinen Ohren. Seine Identität und seine Beziehung zum Vater standen fest, noch bevor er sich der ersten Versuchung stellte oder auf sie reagierte. Die Versuchungen und Kämpfe in der Wüste bestimmten nicht, wie Gott Jesus sehen würde, sondern wie Jesus sich selbst sehen würde. „Wenn du Gottes Sohn bist”, begann der Teufel seine Versuchung an Jesus. Die Frage war, ob Jesus sich selbst erkennen konnte und sich selbst kannte. Während er mit seinen Versuchungen kämpfte, erkannte Jesus, dass er vom Geist erfüllt und geleitet wurde.

„Der Geist des Herrn ruht auf mir.“ Nach seiner Zeit in der Wüste ging Jesus in die Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth und las aus dem Propheten Jesaja vor, indem er mit diesen Worten begann und mit den Worten endete: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk 4, 14-21). Dies ist das Selbstverständnis Jesu, das durch die Versuchungen und seine Erfahrungen in der Wüste geprägt wurde. Er sagt den Menschen in Nazareth, wer er ist und worum es bei ihm geht. Dort offenbarte Jesus seine Identität und seinen Auftrag, die Richtung und das Werk seines Lebens. Die Versuchungen lehren uns dies, uns selbst zu erkennen.

Unsere Versuchungen, Kämpfe und Wüstenerfahrungen bieten uns die Möglichkeit, integrierter und vollständiger zu werden. Das haben sie für Jesus getan und das können sie auch für uns tun. Die Wüstenmönche haben das sicherlich so gesehen. Der heilige Antonius der Große, der manchmal als Vater des Mönchtums bezeichnet wird, geht sogar so weit zu sagen: „Ohne Versuchung kann niemand gerettet werden“.

Wir neigen dazu, uns auf die Person, die Sache oder die Situation zu konzentrieren, die uns in Versuchung führt, aber in Wirklichkeit geht es um uns selbst. Unsere Versuchungen sagen mehr darüber aus, was in uns vorgeht, als über das, was um uns herum geschieht. Die Art der Versuchungen, die wir erleben, und die Umstände, unter denen sie auftreten, sind für jeden von uns einzigartig, denn sie offenbaren, was in uns ist, was uns erfüllt. 

Was also, wenn wir in dieser Fastenzeit unseren Versuchungen folgen? Ich meine nicht, dass wir einfach ja sagen und ihnen nachgeben. Und ich meine auch nicht, dass wir einfach nein sagen und uns von ihnen abwenden. Was wäre, wenn wir dem Lernen folgen, das zu erkennen, was sie uns anbieten? Wo würden sie uns hinführen? Was würden sie uns geben? Sie würden uns selbst zurückgeben. Sie würden uns zu dem zurückbringen, was wir in Wahrheit sind: Töchter und Söhne Gottes, geliebte Kinder, an denen er Wohlgefallen hat. Das ist das Geschenk der Versuchung, in dem das Gute unbewusst in uns wirkt. Amen.