Am ersten Sonntag der Fastenzeit geht es um die Versuchung. „Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden“ (Mt 4,1). Und dort, in der Wüste, kommt es zu einer Erklärung.
Das Reich Gottes, der jahrhundertelange Konflikt zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis, wird in diesem Augenblick vollständig erklärt. Im Allgemeinen sind die Dinge der Finsternis unklar und verwirrt, verworren und unbestimmt; aber das Kommen des Lichts macht sie deutlich. In der klaren Einfachheit der Wüste, fern von allen gewohnten Ablenkungen, wird der Konflikt offen zutage treten: der Teufel wird offenbar. Und in den Versuchungen Jesu werden die Art und die Formen dieses Konflikts deutlich.
Zunächst wird er versucht, Steine in Brot zu verwandeln. Der Teufel will, dass er die göttliche Kraft für weltliche Zwecke einsetzt, um die Bedürfnisse der Sinne zu befriedigen. Nicht, dass es etwas Schlechtes wäre, hungrig zu sein und essen zu wollen, aber die Versuchung liegt darin, solche Befriedigungen als Zweck seiner Berufung zu sehen. Aber das Reich Gottes besteht nicht in Essen und Trinken; es besteht auch nicht in Einrichtungen, die die Welt bequemer und angenehmer machen.
Hunger ist menschlich: Hunger nach Ruhm und Lob, Macht und Geld, Ansehen und Anerkennung, Sex und Genuss. Jeder versucht, seinen Hunger mit jeder Prise zu sättigen. Dieser Hunger nach Gier führt zu den unaufhörlichen Kriegen und Konflikten in der Welt. Der Versucher will uns mit seinen teuflischen Methoden helfen, unseren Hunger zu stillen. Die Antwort Jesu verdeutlicht, dass man das Böse durch die Kraft des Wortes Gottes überwinden kann: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“
Die zweite Versuchung besteht darin, die göttlichen Kräfte auf die Probe zu stellen – und das ist es, was „versuchen“ wirklich bedeutet – zu prüfen: „Wenn du Gottes Sohn bist, so stürzt dich hinab“. Es ist die Versuchung, die göttliche Macht zu messen, den göttlichen Geist zu kontrollieren und zu manipulieren, nach den eigenen Bedingungen. Es ist die Versuchung, zu versuchen, Gott unter Kontrolle zu haben. Aber das Reich Gottes und seine Wunder haben nichts damit zu tun, Gott für menschliche Zwecke zu benutzen. Die Wunder des Reiches Gottes haben einen ganz anderen Charakter und Zweck als dies: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“
Die dritte Versuchung ist die wesentlichste, ja sie ist die Wurzel aller anderen. Es ist die alte teuflische Versuchung Adams: „zu sein wie Gott“. Es ist die Versuchung, das eigene endliche Selbst an die Stelle Gottes zu setzen, sich selbst zum absoluten Maßstab von allem zu machen. Das ist in Wirklichkeit die Anbetung des Teufels. „All das will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest“ (Mt 4,9). Das ist natürlich eine Illusion, ein vergeblicher Stolz und Ehrgeiz, weil es der absoluten Wirklichkeit Gottes und seiner Schöpfungsordnung nicht entspricht. Jesus sagte: „Vor dem Herrn, deinen Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“
„Darauf ließ der Teufel von ihm ab.“ Das heißt, der Teufel wird demaskiert, die Illusionen werden enthüllt, was sie sind. Es handelt sich um die Versuchung, Gott für weltliche Zwecke zu benutzen, und um die Versuchung, das eigene menschliche Selbst als Gott zu betrachten. „Und es kamen Engel und dienten ihm“. Nachdem die Versuchungen beseitigt sind, ist Jesus frei in seiner Berufung und Mission. Die Perspektive ist richtig, und die Engel, die Gerechtigkeit des Universums Gottes, werden ihm dienen.
Diese Versuchungen Jesu stellen die wesentlichen Formen aller Versuchungen dar; sie sind unsere Versuchungen und die Versuchungen der Kirche. Es sind die Illusionen, dass wir den göttlichen Geist für weltliche Zwecke nutzen können.
In dieser Fastenzeit werden wir vom Geist in die Wüste geführt; und es geht darum, dass wir von unseren Illusionen befreit werden. Dazu ist eine Art Wüste oder eine gewisse Stille notwendig. Amen.