Liebe Schwestern und Brüder
Im heutigen Evangelium erzählt Jesus in einem Gleichnis von der Bedeutung des beständigen Gebets. Die Witwe im Gleichnis hat erhalten um was sie gebeten hatte, weil sie beharrlich war, und wir sollten im Gebet ebenso standhaft sein. Aber das Gleichnis von der armen, machtlosen Witwe und dem korrupten, mächtigen Richter scheint eine seltsame Kombination zu sein.
Jesus identifiziert die Zuhörer – uns – mit der Frau und die Person, zu der gebetet wird – Gott – mit dem korrupten Richter. Wenn man davon ausgeht, dass Jesus nicht meint, dass Gott korrupt ist, geht es darum, dass, wenn sich Beharrlichkeit bei einem korrupten Menschen mit begrenzter Macht auszahlt, wie viel mehr wird sie sich dann bei einem gerechten Gott mit unendlicher Macht auszahlen. Damit will Jesus verdeutlichen: Die Notwendigkeit des Gebets, nämlich dass wir „allezeit beten und nicht verzagen sollen“ (Lk 18,1). Wenn schon ein ungerechter Richter das Bitten einer Witwe erhört, wie viel mehr wird Gott unsere Gebete erhören.
Das Gleichnis soll Christen dazu ermutigen, trotz aller Widerstände in ihrem Glauben zu verharren. Aber es hat auch zwei Anwendungen für Menschen in Führungspositionen. Erstens impliziert die Gegenüberstellung eines korrupten Richters mit einem gerechten Gott, dass Gottes Wille auch in einer ungerechten Welt am Werk ist. Die Aufgabe des Richters ist es, Gerechtigkeit zu üben, und bei Gott, er wird Gerechtigkeit üben, wenn die Witwe mit ihm zu Ende kommt. An anderer Stelle lehrt die Bibel, dass zivile Behörden in Gottes Auftrag handeln, ob sie es nun anerkennen oder nicht (Joh 19,11; Röm 13,1; 1Petr 2,13). Es besteht also Hoffnung, dass selbst inmitten der systembedingten Ungerechtigkeit der Gerechtigkeit gedient werden kann. Die Aufgabe einer christlichen Führungspersönlichkeit besteht darin, jederzeit auf die Erfüllung dieser Hoffnung hinzuarbeiten.
Wir können nicht jedes Unrecht in der Welt in unserem Leben korrigieren. Aber wir dürfen die Hoffnung nie aufgeben und nie aufhören, uns inmitten der unvollkommenen Systeme, in denen wir arbeiten, uns für das Gemeinwohl einzusetzen.
Der zweite Punkt ist, dass nur Gott für Gerechtigkeit in einer korrupten Welt sorgen kann. Deshalb müssen wir beten und dürfen vertrauen, in unserer Arbeit recht zu handeln. Gott kann auf wundersame Weise Gerechtigkeit in eine korrupte Welt bringen, so wie Gott auf wundersame Weise eine kranke Welt heilen kann. Im Gleichnis von der hartnäckigen Witwe schreitet Gott nicht ein. Allein die Hartnäckigkeit der Witwe bringt den Richter dazu, gerecht zu handeln. Aber Jesus weist darauf hin, dass Gott der unsichtbare Richter ist: „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm beten, nicht zu ihrem Recht verhelfen“ (Lk 18,7).
Schließlich ist das Gebet im Lukasevangelium sehr wichtig. In diesem Evangelium sehen wir, dass Jesus häufiger im Gebet war als in den anderen Evangelien. Offensichtlich war das Gebet im Leben des Lukas wichtig, aber wir können sagen, dass Lukas uns lehrt, dass das Gebet im Leben Jesu zentral war und auch in unserem Leben zentral sein sollte. Die folgenden Beispiele für Jesus im Gebet finden sich nur bei Lukas: Jesus betete nach seiner Taufe, als sich der Himmel öffnete (Lk 3,21); nachdem er den Aussätzigen geheilt hatte, zog sich Jesus in die Wüste zurück und betete (Lk 5,16); Jesus verbrachte die ganze Nacht auf dem Berg im Gebet, bevor er die Zwölf auswählte (Lk 6,12-16); Jesus betete auf dem Berg Tabor und während er betete, wurde er verklärt (Lk 9,29).
Jesus betete, als seine Jünger ihn baten, sie beten zu lehren, und er lehrte sie das „Vaterunser“ (Lk 11: 1-4); nur Lukas berichtet, dass Jesus für seine Peiniger bei der Kreuzigten betete (Lk 23,34), und als er starb, übergab er seinen Geist in die Hände des Vaters (Lk 23,46).
Ich glaube, dass das Gebet im Leben Jesu eine zentrale Rolle spielte, wie wir vor allem im Lukasevangelium sehen. Lukas lehrt uns, dass das Gebet in unserem Leben zentral sein soll, wie es auch im Leben Jesu war. Jesus lehrte im Gleichnis von der hartnäckigen Witwe, wie wichtig das ständige Gebet ist. Wir sollen genauso beharrlich beten, und wenn sogar der ungerechte Richter die Bitte dieser Witwe erhört hat, wie viel mehr wird unser himmlischer Vater uns erhören. Amen