Gedanken zum 5. Fastensonntag B (Joh 12, 20-33)

Es fällt auf die Erde, um reiche Frucht zu bringen

Haben Sie jemals ernsthaft über diese Worte aus dem Johannesevangelium nachgedacht?: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Das ist das Geheimnis des Lebens.

Es ist das Muster von Verlust und Erneuerung, das sich durch unser Leben und unsere Welt bewegt. Selbst wenn wir nie daran gedacht haben, dass es das Geheimnis des Lebens ist, haben wir es gelebt und erfahren, manchmal freiwillig und manchmal durch Zufall. So oder so, es ist da.

Erlauben Sie mir, ein paar Momente aus unserem Leben herauszugreifen, um diese Philosophie zu erläutern. Schauen Sie sich an, wie dieses Muster in Ihrem Leben vorhanden ist. Haben Sie sich schon einmal verliebt und Ihr Leben einem anderen Menschen anvertraut? Wenn ja, mussten Sie Teile Ihres alten Lebens loslassen und einen Teil Ihres Singlelebens niederlegen, damit Sie mit dieser anderen Person zusammen sein konnten.

Wie sieht es mit Elternschaft aus? Wenn Sie ein Elternteil sind, wissen Sie, dass es Opfer von Ihnen selbst und Ihrem Leben zu bringen gilt, damit das neue Leben Ihres Kindes entstehen und wachsen kann. Wir geben Teile von uns selbst für den anderen auf. Eltern lassen ihr Kind ständig los, damit es erwachsen werden kann. Waren Sie schon einmal der Betreuer eines anderen? Wenn ja, könnten Sie die Teile Ihres Lebens benennen, die gestorben sind, damit ein anderer mit Würde, Mitgefühl und Liebe leben kann.

Was sind die Kosten, die Verluste, die Sie für eine Ausbildung oder eine Karriere bezahlt haben? Sie haben bestimmte Verluste gewählt und einige Dinge losgelassen, damit andere Dinge entstehen konnten. 

Das gleiche Muster findet sich in der Natur. Sie können es im Wechsel der Jahreszeiten sehen, die fallenden Blätter, neuen Blüten und dem Sonnen-Aufgang und-Untergang.

Denken Sie an die biblischen Geschichten von Verlust und Erneuerung. Die Unschuld in Adam und Eva starb, damit das Bewusstsein geboren werden konnte. Abram verließ sein Vaterland und seine Verwandtschaft, damit er zu einer großen Nation gemacht und als Abraham umbenannt werden konnte. Jakobus und Johannes verließen ihren Vater, ihre Boote und ihre Netze, um Jünger von Jesus und Menschenfischer zu werden. Jesus lehrte seine Jünger: „Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten; und doch drei Tage, nach seinem Tod wird er auferstehen“ (Mk 9,31).

Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass das heutige Evangelium im Kontext des Paschafestes steht. Das Paschafest ist die Feier der Befreiung der Israeliten aus der Knechtschaft von Ägypten. Es geht um Freiheit und neues Leben. Es geht um das Loslassen, das Zurücklassen und den Aufbruch in ein neues Leben.

Es gibt etwas an diesem Muster, durch das wir Jesus sehen könnten. Einige Griechen kommen zu Philippus und sagen: „Herr, wir möchten Jesus sehen.“ Warum wollen sie Jesus sehen, dazu habe ich ein paar Vermutungen: Jesus hat Wasser in Wein verwandelt. Er hat den Tempel gereinigt. Er heilte den Gelähmten. Er speiste 5000 mit ein paar Broten und ein paar Fischen. Er gab dem blind geborenen Mann das Augenlicht. Er hat Lazarus von den Toten auferweckt. „Herr, wir möchten Jesus sehen.“ Ich auch! Das ist der Jesus, den ich sehen will.

Philippus und Andreas erzählen es Jesus. Und Jesus sagt zu ihnen: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“. Der Same muss sterben, wenn er Frucht bringen soll. Es bedeutet nicht physisch, obwohl wir alle physisch sterben werden.

Das ist seine Antwort an diejenigen, die ihn sehen wollen. Jesus zu sehen ist ein Weg, dem man folgt, eine Wahrheit, die man verkörpert, ein Leben, das man führt. Das ist es, wo wir ihn sehen. Es ist das Loslassen, die Entleerung, das Zurücklassen und das Sterben, das Raum schafft für neues Leben, das entstehen kann.

Wir haben mindestens eine Erfahrung in unserem Leben gemacht, von der wir rückblickend sagen: „Das möchte ich nie wieder durchmachen. Aber ich würde diese Erfahrung gegen nichts eintauschen wollen.“ Was ist diese Zeit für mich? Was ist passiert? Ich glaube, dass diese Erfahrung, so schwierig und schmerzhaft sie auch war, viel Frucht getragen hat. Wir wurden verändert und unser Leben wurde erneuert. Es war eine dieser Zeiten, in denen wir das Weizenkorn waren, das in die Erde fiel und starb. Es war eine dieser Zeiten, in denen wir Jesus gesehen hatten und absolut überzeugt waren, dass Gott gegenwärtig war und in unserem Leben wirkte.

Dieses Geheimnis, dieses Muster von Verlust und Erneuerung, wird jeden Tag in der Karwoche enthüllt werden. Das ist der Grund, warum wir diesen Text heute hören, eine Woche vor Palmsonntag und dem Beginn der Karwoche. Es ist unsere Vorbereitung auf die Karwoche. Und wir wissen, wo die Karwoche endet? An Ostern, dem leeren Grab, dem Beginn eines neuen Tages, und der Erneuerung des Lebens. Das einzelne Korn, das im Grab war, ist zum Brot des Lebens geworden, um uns reiche Frucht zu bringen. Amen.