Gedanken zum 4. Fastensonntag B (Joh 3, 14-21)

Das Gespräch mit Nikodemus

Das Johannesevangelium Kapitel 3 beschreibt das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus. Dieses Gespräch entwickelt sich zu einem theologischen Vortrag, der sehr typisch für das Johannesevangelium ist.

Dieses Evangelium beginnt mit einer Parallele zur Wüstenwanderungszeit Israels. Jesus erinnert an die „Erhöhung“ der Schlange in der Wüste und verweist damit auf eine Erzählung in Num 21, 4-9: Das Volk protestiert einmal gegen Gott und Mose und beklagt: „Warum habt ihr uns aus Ägypten herausgeführt? Es gibt weder Brot noch Wasser. Von dieser elenden Nahrung sind wir ermüdet“ (Num 21,5). Gemeint ist das täglich von Gott geschenkte „Manna“! Wegen dieser Unzufriedenheit schickt Gott Giftschlangen unter das Volk. Dieses bittet Mose um sein Gebet und Mose hängt auf Anweisung Gottes eine Kupferschlange an einen Stab. Wer von den Schlangen gebissen wird und die Kupferschlange ansieht, überlebt.

Es wird uns gesagt, wir sollen die Schlangen meiden und wenn man eine sieht, weggehen. Das macht Sinn. Es ist ein guter Rat. Es ist, so vermute ich, wie die meisten von uns versuchen im  täglichen Leben gut durch zukommen. Und es geht nicht nur um die Schlangen, die auf dem Boden krabbeln. Wir leben so auch in Bezug auf die Schlangen des Lebens. Wir meiden die Dinge, die wir fürchten, die Dinge, die uns verletzen, die uns beißen und Schmerzen verursachen – nicht nur körperlich, sondern auch emotional und geistig.

So vermeiden wir es, uns mit unseren Abhängigkeiten und Anhaftungen auseinanderzusetzen. Wir ignorieren zerbrochene Beziehungen. Wir schieben die harte Arbeit des Lebens vor uns her. Wir wenden uns von unseren Schwierigkeiten ab. Wir verdrängen schmerzhafte Erinnerungen. Wir sprechen nicht gerne über unsere Angst, unseren Ärger und unsere Wut. Wir weigern uns, über unseren eigenen Tod zu denken oder zu sprechen. Steht das nicht schließlich auf dem Schild? Wenn du eine Schlange siehst, geh weg!

Was wäre, wenn es ein anderes Schild gäbe? Was, wenn das Schild sagen würde: Wenn Sie eine Schlange sehen, schauen Sie ihr direkt in die Augen. Starrt sie an und seht, wer zuerst blinzelt. Es klingt irgendwie verrückt, aber in gewisser Weise ist es genau das, was Gott dem Volk empfohlen hat.

Ihre Ungeduld in der Wüste, ihre Angst vor dem Sterben, das Leben mit einer ungewissen Zukunft und einem unbekannten Ziel, die Leere, der Durst und der Hunger, die Schwierigkeiten des Lebens – all das manifestierte sich als Schlangen in der Wüste; Schlangen, die sie beißen, verwunden und töten würden. Sie würden sich der Realität ihrer Schlangen stellen müssen.

Gott bietet eine andere Option an. Wir werden nicht vor unseren Schlangen gerettet, indem wir weglaufen. Anstatt sich abzuwenden, bestand die Rettung, die Gott den Israeliten anbot, darin, dass sie genau das anstarren sollten, was sie fürchteten. Gottes Wege sind nicht unsere Wege und Gottes Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Gottes vermeintliche Logik erscheint uns oft als unverständlich.

Gottes Heilmittel offenbart, dass die Schlange in der Wüste sowohl das Mittel des Todes als auch das Mittel der Heilung ist. Das Kreuz des Todes ist jetzt das Kreuz des Lebens. Gott beseitigt nicht die Gefahren und Schwierigkeiten des Lebens. Stattdessen bietet Gott ein Heilmittel und einen Ausweg an. „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“

In der Person Jesu ist Gott Fleisch geworden, um uns zu heilen, uns lebendig zu machen und uns in die himmlischen Orte zu erheben. Gottes Anliegen und zugleich das Ziel der Sendung Jesu ist nichts weniger als die Rettung der Welt.

In Christus:

Der Ort der Angst wird zum Ort des Mutes.

Der Ort der Sünde wird zum Ort der Vergebung.

Der Ort der Verwundung wird zum Ort der Heilung.

Der Ort des Todes wird zum Ort des Lebens.

Der Ort des Hinfallens wird zum Ort des Aufstehens.

Liebe Schwstern und Brüder

Wir sind eingeladen, alles was uns schwer auf der Seele liegt, zu Jesus zu tragen und es ihm zu überlassen. Wir dürfen glauben: Er wird es heilend verwandeln. „Damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat.“ Die Entscheidung liegt bei uns: Sind wir bereit, uns umzudrehen und vor den Schlangen wegzulaufen, oder werden wir uns umdrehen und hinschauen? Heben wir unsere Augen, um dem Blick der Liebe zu begegnen, dem Blick Christi? Amen.