Gedanken zum 32. Sonntag A (Mt 25:1-13)

Volle Lampen: bereit sein, sich von Gott überraschen zu lassen

Liebe Schwestern und Brüder

Jesus benutzt wieder einmal eine typische kulturelle Praxis aus seiner Zeit, um ein Gleichnis für seine Zuhörer zu erstellen.

Anscheinend war es in neutestamentlicher Zeit in Palästina üblich, dass ein Hochzeitsbankett nachts stattfand. Nach einer offiziellen und ziemlich langfristigen Verlobung (vgl. Mt 1,18) kam der Bräutigam zu einer vorher vereinbarten Zeit in das Elternhaus der Braut. Sie kam heraus, umgeben von einer Menge ihrer Verwandten und Freunde, die sie in einer Prozession mit Fackeln, Gesang und Tanz zu ihrem neuen Hochzeitshaus führten. Dort würde ein Festmahl für alle stattfinden. Danach würden die Gäste abreisen und das Paar in Ruhe lassen, zum ersten Mal zusammen allein und nun endgültig verheiratet.

Jesus drückt dieses Szenario als Gleichnis für sein Königreich aus. Die Braut wartete mit ihren Jungfrauen auf das Kommen des Bräutigams. Die Zehn Jungfrauen stehen stellvertretend für alle Christen, die darauf warten, dass der Menschensohn zu einer unerwarteten Stunde kommt und dass niemand den Tag oder die Stunde kennt, so dass die Nachfolger Jesu jederzeit bereit sein müssen.

Die Wendung der Geschichte im Gleichnis ist, dass der Bräutigam zu spät kam; er kam erst um Mitternacht (Mt 25:6). Plötzlich hörte man laute Rufe: „Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!“ Die Jungfrauen stehen alle auf und machen ihre Lampen zurecht. Nun kommt es zu der peinlichen Szene, dass fünf von ihnen gar kein Öl für ihre Lampen mitgenommen haben. Stellen wir uns die Aufregung bildlich vor! Sie sind nicht böse; nur eher faul, oberflächlich und gedankenlos. Schließlich ziehen Braut und Bräutigam mit nur fünf  in den Hochzeitssaal ein.

Jetzt kommen die anderen fünf viel zu spät auch mit ihren Lichtern und stehen vor verschlossenen Türen. Sie klopfen, sie rufen, immer lauter, mit Tränen in den Augen: „Herr, Herr, mach uns auf!“ Sie hörten das furchtbare Wort aus dem Mund des Bräutigams: „Ich kenne euch nicht.“

Ich frage mich, ob wir die seltsame Abwesenheit im Gleichnis von der Braut bemerkt haben? Sie wird überhaupt nicht erwähnt. Stattdessen liegt der ganze Fokus auf den Jungfrauen. Um ein wenig über den eigentlichen Text des Gleichnisses hinauszugehen: Ich denke, wir können jede von uns, zumindest potenziell, an die Stelle der abwesenden Braut setzen. Nun ist unser göttlicher Bräutigam Jesus sowohl anwesend als auch abwesend. Er lädt uns hier ein, ruft uns, uns alle, zur Vereinigung mit sich selbst, zur mystischen Ehe, zu jener vollkommenen Liebe auf, die für immer im Himmel vollzogen werden wird.

Genau das will das Gleichnis auch in uns hervorrufen, dass wir in Wachsamkeit, in „liebender Zuwendung“ vor Gott und mit Gott leben. „Was sollen wir tun, während wir in Wachsamkeit warten?“ Die Antwort lautet: „Stellen wir sicher, dass wir genug Öl für unsere Lampen haben! Die Bilder, die darin vorkommen – Lampen, Lichter, Öl – sind Zeichen der Vorfreude. Vielleicht bezieht sich Öl auf echten christlichen Glauben.  Vielleicht ist Öl der Geist der Versöhnung mit den anderen und die Bereitschaft, unser Leben und seine Segnungen mit anderen zu teilen. In der Heiligen Schrift ist Öl oft ein Symbol für den Heiligen Geist.  Wenn wir unsere Arbeit, unsere Absichten, unser Ziel dem Heiligen Geist unterstellen, erfüllt er unsere Taten mit Kraft und Wirksamkeit.

Liebe Schwestern und Brüder, lassen wir uns sicher sein, dass unsere Lampen für das Ende unseres Lebens bereit sind: Geistige Bereitschaft, Vorbereitung und Wachstum geschehen nicht einfach so.  Sie sind das Ergebnis von bewussten Gewohnheiten, die in das Leben eingebaut sind. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass ein Gottesdienst am Sonntagmorgen all unsere spirituellen Bedürfnisse erfüllt. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die christliche Gemeinschaft uns mit geistlicher Entwicklung versorgt. Diese Dinge kommen durch Routine, durch alltägliche Aufmerksamkeit für gewöhnliche spirituelle Disziplinen – wir müssen sicherstellen, dass wir genügend Öl haben: den spirituellen Brennstoff. Amen